Ein radikaler Vorschlag: Rüstung und Militär verstaatlichen

Rüstungsausgaben begrenzen und Rüstungsfirmen somit die Rüstungsaufträge kürzen – das warstets der explizite oder implizite Ansatz der Friedensbewegung. Doch das funktionierte nicht und es kann auch nicht funktionieren, denn es geht um zuviel Geld. Wer Frieden will, muss zunächst dem Kriegsgeschäft die ökonomische Grundlage entziehen und alles Militärische vollständig unter staatlich-politische Kontrolle bringen. Und dies kann nur bedeuten: Der Krieg muss entkapitalisiert werden, die Rüstungsindustrie ist vollkommen zu verstaatlichen!

Die folgenden Einzelpunkte drücken je einen eigenen Missstand aus. In der Summe sind dieMissstände aber so zahlreich, so umfassend und so schädlich, dass nur ein harter Bruch mit der bisherigen Ideologie des privaten Rüstungssektors helfen kann.

  • Rüstung und Korruption: Ein Systematisches Problem

In der privaten Rüstungsindustrie blüht die Korruption wie in kaum einem anderen Industriezweig. Nicht nur der privat-staatlich-politisch-militärisch-industrielle Komplex der USA gilt als eine der mächtigsten und zugleich korruptesten Strukturen weltweit. Auch in Deutschland hält das Beschaffungsamt sich im Bereich Rüstung beispielsweise regelmäßig nicht an die eigenen Regeln, und die deutschen Politiker scheint dies nicht zu stören. Mit einer Verstaatlichung kann man Korruption nicht vollkommen verhindern. Aber wesentliche Anreize für »Kickbacks« – in welcher Form auch immer – oder andere Gefälligkeiten lassen sich so zumindest nennenswert reduzieren.

  • Kriegs-Dividenden: Ein Hindernis für den Frieden

Durch Verstaatlichung entfallen für die Besitzer der Konzerne, zu denen auch immer die großen Vermögensverwalter gehören, die leistungszerstörenden Kriegs-Dividenden. Nur wenn die großen Vermögensverwalter und andere Investoren im Krieg kein Geschäft mehr sehen, kann Frieden gelingen.

  • Geheime Daten: Die Macht der Rüstungskonzerne über hochsensible Informationen

Rüstungskonzerne verfügen durch die ausschließlich staatlichen Aufträge über hochsensible Informationen, die entweder exklusiv bei der Herstellung von Präzisionswaffen anfallen oder die sie sogar gezielt von den Geheimdiensten erhalten, um überhaupt moderne Waffen herstellen zu können. Mit diesen Informationen können die privaten Firmen aber wiederum ihre eigenen Auftraggeber subtil oder offen erpressen und politische Akteure gegeneinander ausspielen. Rüstungskonzerne sind als private, investorenorientierte Firmen unvermeidlich ins politische Geschäft und in Nachrichtendienststrukturen eingebunden. Sie bilden eine geopolitische Achillesferse.

  • Effizienter Wettbewerb bei Rüstungskonzernen: Eine Illusion

Wenn man moderne Waffensysteme betrachtet, kooperieren die Rüstungskonzerne jetzt bereits eng verzahnt untereinander. Und anders können integrierte Waffensysteme auch gar nicht hergestellt werden. Die Idee eines effizienten Wettbewerbs ist bei Rüstungskonzernen vollkommen illusorisch. Die Vorstellung, man zerstöre ihn durch Verstaatlichung, ist es ebenso. Der Zustand der regelmäßig so bezeichneten »kaputtgesparten Bundeswehr«, die zugleich aus einem seit mehreren Jahren wachsenden Verteidigungshaushalt gespeist wird, dürfte in erster Linie in der Ineffizienz des jetzigen Rüstungssektors begründet sein. Das NATO-Zweiprozentziel lädt vor diesem Hintergrund die Rüstungskonzerne zu weiterer Selbstbedienung ein.

  • Verstaatlichung der Rüstung: Ein Gegengewicht zu Privatarmeen

Die deutsche Bundeswehr befindet sich zurzeit in öffentlicher Hand. Konzernsoldaten und Privatarmeen als Söldner des 21. Jahrhunderts sind allerdings weltweit immer mehr im Einsatz. Eine Verstaatlichung der Rüstung setzt diesem gefährlichen Trend etwas entgegen: Akteure, die die Privatisierung von Armeen vorantreiben, merken, dass sie in einem Land mit verstaatlichtem Rüstungssektor einen schweren Stand haben.

  • Rüstungsexporte: Konflikte bei der Ausfuhr deutscher Waffensysteme

Es gibt immer wieder Konflikte bei Regelungen, die die Ausfuhr deutscher Waffensysteme betreffen. Eine verstaatlichte Rüstungsindustrie, die ohne Gewinnabsicht für den Eigenbedarf bzw. rein nach politischen Vorgaben produziert, hat diesen Zielkonflikt nicht.

  • Produkthaftung bei Militärgerät: Ein ordoliberales Fiasko

Eine klassische Produkthaftung wie in jedem zivilen Wirtschaftsbereich ist für Militärgerät, das in einer konkreten Kampfsituation eingesetzt wird, kaum denkbar, weil die Nachweisschwelle extrem hoch ist. Die Haftung ist bei Rüstungskonzernen damit de facto nicht gegeben, und die Konzerne haben ein inhärentes Interesse, entsprechende Ansprüche abzuwehren. In Verbindung mit dem Besitz hochsensibler Informationen bildet dies ein »ordoliberales Fiasko«.

  • Verstaatlichung des Militärsektors: Ein Weg zu wirksamer Friedenspolitik

Nur eine Verstaatlichung des gesamten Militärsektors löst den gordischen Knoten und ermöglicht eine wirksame Friedenspolitik. Der entscheidende Punkt im politischen Kampf für Frieden ist nicht die Abrüstung selbst, sondern dem Krieg seinen mächtigsten Verbündeten zu rauben: Die Kriegsdividende.

Verwendete Quellen:

  • Dieser Beitrag erschien erstmals in der FAIRCONOMY 2024/1 (»Kriegswirtschaft«) auf der S. 17. Die gesamte Ausgabe kann hier als PDF heruntergeladen werden.
     
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