Meine zugegeben steile These lautet: Bei Verwirklichung des Bancor-Vorschlags von John Maynard Keynes auf der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 hätte es nie eine Präsidentschaft von Donald Trump in den USA gegeben.
Die USA wie auch die Bundesrepublik Deutschland leiden unter einer De-Industrialisierung und einem dadurch bedingten Strukturwandel, Arbeitsplatzverluste inklusive. Die betroffene Arbeiterschaft wählt – verunsichert – zunehmend statt linker Parteien rechte und autoritär daherkommende Kräfte.
2024 haben die USA für knapp 1000 Mrd. Euro (eine Billion) mehr Waren und Dienstleistungen eingeführt als ausgeführt. Auf Deutschland entfallen 105 Mrd. €. Was nicht so bekannt, aber vielleicht für die Amerikaner problematisch ist: Die Ausländer erwerben mit ihren Leistungsbilanzüberschüssen Fremdwährungsanlagen in $. Ein Ausverkauf etwa von Aktien, Anleihen, Immobilien etc. findet statt. Amerika gehört immer weniger den Amerikanern. Der Vollständigkeit halber muss aber auch angeführt werden, dass auch deutsche Aktiengesellschaften mehrheitlich in Händen ausländischer Anteilseignern sind.
Trump will das Problem durch Zölle und Deals lösen. Die meisten Ökonomen sehen Zölle grundsätzlich als problematisch an. Es kann leicht gezeigt werden anhand einer Zeichnung, dass Zölle Wohlstandsverluste nach sich ziehen. Die Standardlehrbücher führen diesen Nachweis. Ökonomen und Journalisten erwarten zu Recht, dass amerikanische Bürger Preissteigerungen, also erhöhter Inflation, ausgesetzt sein würden. Wenn Trump sich mit Deals durchsetzen kann, würden diese Effekte wohl geringer ausfallen. – Ergänzend ist jedoch eine Ausnahme mit positiver Würdigung des Zolls anzuführen, der sogenannte Erziehungszoll. Er geht zurück auf den deutschen Nationalökonom Friedrich List, der im 19. Jahrhundert einen befristeten Schutzzoll postulierte, der den Aufwuchs junger Industrien schützen und absichern sollte. List lebte zeitweise in den USA und begründete eine Schutzzollpolitik. Es erscheint mir schlüssig, dass ein Land wie die Volksrepublik China zumindest in der Vergangenheit hinter Zollmauern den Aufwuchs eigener Industrien ermöglichte, bevor sie dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt wurden. Als entwickelter Volkswirtschaft steht den USA dieser Gesichtspunkt heute wohl nicht zu. Den langen und mühsamen Weg will Trump auch wohl nicht gehen, sondern durch Zoll(androhungen) ausländische Unternehmen veranlassen, in den USA zu produzieren, etwa Autofabriken zu errichten.
Keynes vs. Trump: Keynes Bancor ein alternativer Weg zur Trump-Ära

Zurück zur Ausgangsthese! John Maynard Keynes hatte 1944 auf der Konferenz von Bretton-Woods den bahnbrechenden Vorschlag gemacht, eine Kunstwährung namens Bancor einzuführen, die zum Ausgleich von Leistungsbilanzsalden Verwendung finden sollte. Die deutsche Übersetzung findet man im Internet unter www.postwachstumsökonomie.de/wp-content/uploads/2008-12-10-_Keynes-Bancor-Plan.pdf. Der Bancor ist eine Kunstwährung, kein individuelles Zahlungsmittel wie $ oder €. Mit ihr soll der Zahlungsbilanzausgleich erfolgen.
Das Besondere an dem Vorschlag von Keynes ist, dass nicht nur Schuldnerländer Ausgleich verzinsen müssen – das kennen wir auch bei einem gewöhnlichen Kredit –, sondern auch die Gläubigerländer mit einem Strafzins belastet werden. Sie sollen so angehalten werden, ihre Überschussposition abzubauen. Wechselkursanpassungen durch Ab- oder Aufwertungen dienen ebenfalls der Stabilisierung. Von daher wären so große Ungleichgewichte wie gegenwärtig zwischen den USA und dem Ausland nicht möglich. Bezogen auf kleinteilige Tauschringe mit entsprechender Regelung hat Michael Rost zutreffend von einer Nimm-Erinnerung gesprochen, wohlgemerkt für den wirtschaftlich Stärkeren oder Gläubiger.
Keynes vs. Trump: Die doppelte Rolle des Dollars und ihre Folgen
Das Abkommen von Bretton-Woods sollte die Währungsordnung für die Nachkriegszeit fixieren. Die Amerikaner waren in den Verhandlungen an einer neutralen Kunstwährung nicht interessiert. Sie setzten den Dollar als Leitwährung ein entsprechend dem White-Plan. Der Dollar wiederum stand in einem festen Verhältnis zum Gold, 35 $ je Unze. Zahlungsbilanzsalden sollten in Dollar oder Gold ausgeglichen werden. Der Dollar hatte eine Doppelfunktion: Zahlungsmittel für US-Amerikaner und Reservewährung für andere Volkswirtschaften. Damit war zugleich der Keim für die Inflation gelegt. Die restliche Welt fragte Dollar nach, akzeptierte, dass sie Amerikaner keine entsprechende reale Wirtschaftsleistung durch Güter- und Dienstleistungserzeugung zur Verfügung stellten. Der Verfasser dieses Beitrags hat in einem Vortrag vor der Keynes-Gesellschaft am 28.2.2008 (Jörg Gude, Das Scheitern des Bretton-Woods-Systems, FAIRCONOMYBlog 19.1.2024) ausgeführt: Niemand kann zwei Herren dienen, auch der Mammon nicht. Die angesprochene Doppelrolle als Reserve- und Leitwährung sowie als nationales Zahlungsmittel konnte nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Der Vietnam-Krieg mit seinen inflationären Folgen tat auch ein Übriges. Als die Franzosen gewahr wurden, dass die Goldvorräte in Fort Knox nicht ausreichen würden, alle ausgegebenen Dollars in Gold umzutauschen, präsentierte die französische Nationalbank alle hereinkommenden Dollars umgehend in Fort Knox. Die amerikanische Notenbank hätte ihren Bankrott bekanntgeben müssen, nach allen kaufmännischen Regeln. Stattdessen erklärte US-Präsident Nixon am 15.8.1971 die einseitige Aufhebung der Golddeckung, wohlgemerkt gegen jeden Rechtsanspruch. Ein Zeitalter flexibler und floatender Wechselkurse begann.
Keynes vs. Trump: Wie eine andere Währungsordnung die Geschichte verändert hätte
Bei Realisierung des Bancor-Plans von Keynes hätten die Amerikaner wie alle anderen Volkswirtschaften sich auf die Erbringung national und international gefragter Güter und Dienstleistungen konzentrieren müssen, statt einfach Dollars in die Welt zu setzen. Die USA wären wettbewerbsfähiger, nicht nur bei Rüstungs- und Technologiegütern, wo sie eigentlich nie zurückgeblieben sind. Der stark ausgeprägte Konsum der US-Amerikaner wirkt wie ein Staubsauger, der in China und Europa nachfragewirksam wird. Volkswirtschaften mit Leistungsbilanzüberschüssen würden mit Strafzinsen im internationalen Clearingsystem belegt. Die jahrzehntelange Fehlentwicklung hat in den USA und bei Trump zu der Erwägung geführt, über Zölle oder Androhung derselben Arbeitsplätze und Industrie zurückzuholen, die bei einem anderen Gang der Währungsgeschichte nicht verloren gegangen wären. So gesehen: Mit Umsetzung der Internationalen Clearing Organisation, wie von Keynes angedacht, hätte Trump 2024 keine Chance gehabt.
