Immer wieder wird in den Medien die irrige Auffassung verbreitet, die niedrigen oder negativen Zinsen gefährdeten die Absicherung der Menschen im Alter. Diese Annahme beruht auf einer fantastischen Illusion. Seit der Finanzkrise vor 12 Jahren sind die Zinsen kontinuierlich gefallen. Viele sehen dies als ein Problem und geben dafür der Europäischen Zentralbank die Schuld. Andere loben dagegen die EZB für ihre gute Geldpolitik. Die INWO will sogar noch obendrauf eine Gebühr auf Bargeld. Mit Blick auf die Alterssicherung stellt sich jedoch die Frage: Sind niedrige oder negative Zinsen nicht ungerecht, wenn damit das für das Alter angesparte Vermögen kleiner ausfällt, als erhofft, oder sogar schrumpft? Die Frage ist ein wenig provokant gestellt, denn ein grundsätzliches, ethisch- moralisches Anrecht auf Zinsen kann es natürlich nicht geben: Wenn eine Person leistungslose Einkommen erhält, müssen diese ja von jemand an derem erwirtschaftet werden. Inbestimmten Wachstumssituationen mag dies ökonomisch geboten sein – aber mehr auch nicht. Doch schwerer als der moralische Aspekt wiegt, dass dieses Anspruchsdenken bezüglich der Zinseinkommen auf einer fantastischen Illusion beruht. Es gab zwar immer wie der lange Phasen mit hoher Stabilität und mit über der Wachstumsrate liegenden Zinsen, aber diese Phasen kamen immer wieder an ihre Grenzen und damit ihr Ende – sei es krisenhaft oder indem Phasen mit negativem Realzins folgten. Der ewige Zins, von dem alle – oder zumindest sehr viele – unbeschwert und lange leben können, ist reine Utopie, die nie existiert hat und nie existieren wird. Die negativen Zinsen heute sind kein Resultat eines bösen Willens der Zentralbanken. Sie sind einfach das Mittel der Wahl, um eine Finanzkrise oder eine höhere Inflation zu ver meiden. Beides würde die Geldvermögen viel stärker angreifen als negative Zinsen.
Nur Vermögende profitieren von Zinserhöhungen
Doch wenn man diese gesamtwirtschaftlichen Aspekte für einen Moment beiseiteschiebt:

Wie sieht eigentlich die Bilanz für den Einzelnen aus? Zahlt die Rentnerin wirklich drauf, wenn auf ihr Erspartes keine Zinsen mehr gezahlt werden? Wenn der Zinssatz um 2% ansteigen würde und die etwa 10 Bill. Euro inländische Verschuldung der Nichtfinanziellen Sektoren (vor allem von Unternehmen und Staat, weniger von privaten Haushalten) zusätzlich verzinst werden müssten, entspricht dies 200 Mrd. Euro, die dann weniger für Löhne zur Verfügung stehen. Bezogen auf die Bruttolöhne von 1,5 Bill. Euro sind dies etwa 13% und das wäre dann auch grob der Anteil, der dann weniger für die gesetzliche Rente zur Verfügung steht, denn diese wird ja weitgehend aus den Löhnen bezahlt.
Das Diagramm (siehe unten) stellt den Zusammenhang dar. Die Rechnung ist natürlich stark vereinfacht, denn die Möglichkeit der Staatsschuldenfinanzierung der Renten (oder Zinsen) wurde hier nicht berücksichtigt. Aber die Grafik zeigt eindeutig: Da hohe Zinsen oder andere Kapitaleinkommen zu niedrigen Löhnen und somit auch niedrigeren gesetzlichen Renten führen, gehören die meisten Rentenbezieher zu den Verlierern einer solchen Zinserhöhung, wenn sie nicht über erhebliche Finanzvermögen verfügen.
Ein Beispiel: Niedrige Zinsen retten die Rente
Bei einer Rentnerin, die 1.000 Euro Rente monatlich bezieht, sinkt die Rente durch eine solche Zinserhöhung am Ende um 130 Euro monatlich (-13%), was in der Praxis über ausbleibende Rentenerhöhungen erreicht wird.

Damit der Zinsgewinn den negativen Renteneffekt übersteigt und sie von den steigenden Zinsen profitieren würde, müsste sie mindestens über ein verzinsbares Finanzvermögen von knapp 80.000 Euro verfügen. Im Umkehrschluss gilt: Sinkende Zinsen erhöhen die Löhne und damit das Beitragsvo
lumen zur gesetzlichen Rente. Nur niedrige Zinsen können die gesetzliche Rentenversicherung sichern!
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